Die Stimme ölen.

So ein Gitarrenverstärker braucht ab und an etwas Liebe: Schrauben anziehen, Kontakte reinigen, Schäden am Gehäuse ausbessern. Das gilt ganz besonders, wenn es schon ein älteres Semester ist. Bei dem Gerät hier handelt es sich um einen VOX AC50 mit der Seriennummer 05532, der etwa 1966 gebaut wurde. Das Modell wurde aufgelegt, damit die Beatles sich ihrer kreischenden Fans akustisch erwehren konnten. Zur Technik und Datierung früher AC50 findet man Informationen auf www.voxac50.org.uk.

Der Amp hat einen wunderbaren, klaren Sound und wird sehr laut, bevor er crunchy wird. Es ist wirklich ein tolles Gerät.



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Von vorn. (Der Griff ist nicht mehr original.)




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Von hinten. Links sind die XLR-Anschlüsse für Lautsprecher. Die Steckbrücke darunter schaltet die Impedanz der Lautsprecher zwischen 8 und 16 Ohm um - das ist eine Eigenheit von Röhrenverstärkern, die beachtet werden muss, um das Gerät nicht zu zerstören.

Die Kaltgrätebuchse ist nicht original. Vorher befand sich dort eine Art XLR-Buchse mit vier Pins. Mit einem Steckergehäuse aus Metall. Für Netzspannung. Damit hatte ich keinen Frieden.




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Bedienelemente. Es gibt zwei Eingangskanäle mit unterschiedlichen Klangfarben (mit Stereo hat das nichts zu tun). Jeder Kanal verfügt über einen Volume-, Höhen- und Bass-Regler. Für jeden Kanal gibt es zwei Buchsen, man könnte also durchaus 4 Instrumente anschliessen. Für damals[tm] war das recht komfortabel.




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Gehäuse öffnen: 6 Schrauben auf der Rückseite entfernen.

Warnung: in einem Röhrenverstärker treten lebensgefährliche Spannungen von 500V und mehr auf, die sich auch nach Abschaltung und Trennung vom Stromnetz noch lange Zeit in den Kondensatoren halten können!

Das Betrachten der Bilder hier ist dagegen ungefährlich.




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Rückseite herunterklappen.




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Jetzt lässt sich das Chassis komplett aus dem Gehäuse ziehen. Die meisten Gitarrenamps sind (für heutige Verhältnisse) unglaublich wartungsfreundlich aufgebaut.

Man sieht hinten links den Ausgangsübertrager, aufrecht die beiden Endstufenröhren Typ EL34, liegend davor die Vorstufenröhren (bzw. deren Abschirmkappen) und rechts den Netztrafo.




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Blick von der anderen Seite. Es gibt noch zwei Netzteilelkos (den schwarzen musste ich mal tauschen). Jeweils links der EL34 gibt es ein Trimmpoti für deren Vorspannungseinstellung, damit die Endstufe möglichst sauber im AB-Betrieb arbeitet. Links waren ursprünglich zwei Lötstützpunkte, die eine Art NTC-Widerstand trugen, der "Brimistor" genannt wurde (Beschreibung auf Seite 287 ff.) und eine Form von Slow-Start beim Einschalten umsetzen sollte.




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Die Lötleisten mit den passiven Schaltmitteln wie Kondensatoren und Widerständen. Ganz rechts ist die Siebdrossel des Netzteils montiert und darauf klebt eine Ersatzglühlampe für die Betriebsanzeige.




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Einige der Drehknöpfe und Potis sitzen locker. Da müssen also die Schrauben und Muttern angezogen werden.




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Die Knöpfe - Chicken-Heads genannt - wurden damals noch in "England" hergestellt. Darum haben sie auch 6.3mm (=1/4") starke Achsen.




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Und die Mutter hat 1/2" Schlüsselweite.




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Da keine grossen Kräfte erforderlich sind, behilft ein 13er Maulschlüssel.




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Auf dem Bedienpanel kleben Klebebandreste. Uralt und steinhart. Um die zerstörungsfrei und minimalinvasiv vom Lack zu trennen, gibt es einen Schluck WD40 in den Schnapsbecher.




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... das Volxöl wird mit dem Wattestäbchen aufgebracht. Das Betupfen wird in der folgenden Stunde gelegentlich wiederholt.




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Überraschung bei diesem Knopf: der Madenschraube fehlt der halbe "Kopf". Mit dem Schraubendreher geht's hier nicht weiter. Wie fixt man sowas?




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Know your enemy: die Madenschraube aus einem anderen Knopf wird ausgebaut und vermessen. Länge: 1/4".




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Durchmesser 3.5mm - oder etwa 2/16+3/128" - was ist das für ein Mass?

WP(en) erklärt: das ist ein Gewinde mit Durchmesser #6 .




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Der Innendurchmesser beträgt 3.8mm.




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Plan: eine Welle herstellen, die gerade durch die Öffnung für den Schraubendreher passt und eine Aussparung hat, die dem fehlenden Teil der Schraube entspricht. Wenn die Schraube nicht zu fest sitzt, könnte das klappen.




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3.8mm hier.




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Anprobe: passt.




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Die Abflachung wird 1/2 Durchmesser + 1/2 Schlitzweite = 2.2mm auf einer Länge entsprechend der Schlitztiefe mit 1.2mm .




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Zzzziippp.




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Inzwischen ist der Kleber weich genug und wird mit einem Stueck Holz abgeschabt. Das geht ohne Kratzer oder Reste.




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Ich bin nicht sicher, ob ich mit der Schraube mehr als einen Versuch habe. Also lasse ich das Rohmaterial dran, damit ich besser peilen kann. Das Messstativ dient nur als Widerlager.




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Das Werkzeug geht mit minimalem Spiel in die Schrauböffnung.




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Mit der Flachzange greifen, Knopf mit der anderen Hand festhalten und vorsichtig mit Gefühl drehen.




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Wer wagt, verliert. In dem Falle gilt das für die Schraube, sie lösst sich mit kaum merklichem Knacken und lässt sich dann ohne weiteres herausdrehen. Puh.




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Der Knopf ist ab.




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Detail: so fasst das Werkzeug die defekte Schraube.




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Detail: das Werkzeug und die defekte Schraube. Wie die zu ersetzen ist, wird noch so 'ne Story...




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Als Nächstes werden die Klinkenbuchsen gereinigt, damit das Geknackse bei Bewegungen des Kabels aufhört. Kontakt 60 und ein Pfeiffenreiniger helfen.




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Spray applizieren...




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... einwirken lassen und putzen.




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Bei so viel Schmodder sind 2-3 Wiederholungen angebracht.




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Staubsaugen, Auspinseln und mit einem trockenen Tuch abwischen heben das optische Erscheinungsbild.




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Noch ein paar Detailaufnahmen: Typenschild ...




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... Buchsenplatte ...




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... die Stelle, an der der "Brimistor" eingebaut war ...




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... Seriennummer des Chassis (2197).




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Für diese Schraube ist noch Ersatz notwendig.

Die Idee, in einem Gitarrenladen jemanden zu finden, war ambitioniert.

Der erste Laden hat mir 'ne Schraube #6 32G in die Hand gedrückt.

Im zweiten wurde behauptet, um das Ersatzteil bestellen zu können, bräuchte man auf jeden Fall Modell und Seriennummer des Gerätes. Da die Datenbank damit nix anfangen konnte, gab man mir die Telefonnummer des Großhändlers.

Im dritten Laden konnte man nicht helfen, aber der junge Mitarbeiter war immerhin freundlich interessiert, ob der Amp noch original sei.

Hach ja. :-)




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1/4" lang...




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3.5mm dick.




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Meine Gewindelehre kann metrisch und Whitworth (55°). Das 40G-Blatt kommt am nächsten dran, aber exakt passen tut das auch nicht.




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Dann hatte ich die Idee, dass ich den Knopf am Stück tauschen könnte. Nun gibt es Chicken-Heads (Ansichtsmaterial liefert die nexte Suchmaschine) in verschiedenen Formen, wenn man genau hinschaut. Ein "Ausreisser" unter sechsen würde auffallen.




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Also bin ich in eine gut ausgestattete Werkzeughandlung gefahren, wo es auch Gewindeschneidwerkzeug für Zollmaße und Linksgewinde gibt. Dort stellt sich heraus, dass UNF #6-40 nicht wirklich zu der Schraube passt.

Mögliche Erklärung: das vorliegende Gewinde könnte nach (uralten) British Standards gefertigt worden sein.

Leichte Ratlosigkeit.

Aber: für den Zweck hier brauche ich nur 2-3 Gewindegänge. Große Kräfte werden nicht übertragen. In Alu gefertigt, sollte sich die Schraube soweit hinziehen, dass sie den Knopf auf der Achse hält. Ich nehme das UNF #6-40 Schneideisen mit.




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3.5mm rund drehen.




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Mein erstes Zollgewinde.




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Anprobe: passt.




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Abstechen hat nicht funktioniert, das Gewinde riss ab. Der Rest geht auf dem Schraubstock. Dünnes Sperrholz muss für Schonbacken herhalten.




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Mit Gefühl einspannen, damit das Gewinde nicht zerdrückt wird.




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Passendes Stück mit der Puk-Säge abtrennen.




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Schrauben-Schlitz mit der Puk-Säge einschneiden.




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Die fertige Madenschraube.




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Und der Knopf ist wieder dran.




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Auf der Unterseite gibt's auch noch Schrauben, die Anziehen vertragen können.




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Testlauf des Amps. Es geht halt auf Weihnachten zu.




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Amp zusammengebaut und wieder auf den Stack gestellt. Ohne Knacksen und Krachen klampft es sich gleich viel schöner.